Was bei der Einführung eines Data Catalogs zu beachten ist:
Ein Praxisleitfaden
Worauf es beim Data Catalog wirklich ankommt
In unserem ersten Blogbeitrag haben wir uns durch den unübersichtlichen Markt für Data Catalogs navigiert. Doch die Auswahl eines Tools ist erst der Anfang. Die Erfahrung zeigt, dass viele Data Catalog Initiativen nicht an Softwarefehlern scheitern, sondern daran, dass Unternehmen sie wie eine gewöhnliche Softwareeinführung behandeln.
Die Wahrheit ist, dass echte Data Governance nicht einfach per Knopfdruck durch die Installation eines Data Catalogs entsteht. Während der technische Rollout meist bekannten IT-Standards folgt, nimmt der Data Catalog eine Sonderstellung ein. Er nicht nur ein Stück Software, sondern ein Kulturwandler. Er muss Ihre IT-Landschaft umfassen, historisch gewachsene Silos einreißen und die Art der Zusammenarbeit grundlegend neu definieren. In diesem Beitrag widmen wir uns daher den entscheidenden Erfolgsfaktoren jenseits des Codes: den organisatorischen und strategischen Weichenstellungen. Wir konzentrieren uns dabei bewusst nicht auf die technische Implementierung, da diese eher klassischer IT-Projektmethoden folgen.
1. Das Fundament legen: Problem, Vision, Umfang
Wollen Sie lediglich das einfache Auffinden von Daten verbessern? Ein gemeinsames Business Glossar etablieren? Oder die regulatorische Compliance stärken (für z. B. DORA oder FIDA)? Die Antwort bestimmt sehr direkt den Umfang Ihrer Lösung. Es gibt verschiedene Kategorien von Data Catalogs, die Ihre spezifischen Anforderungen erfüllen können:
- (Klassischer) Data Catalog: Wenn das Ziel grundlegende Auffindbarkeit und Dokumentation ist („Google für Unternehmensdaten“), reicht ein leichtgewichtiger Ansatz aus.
- Fortgeschrittener Data Catalog: Dieser Ansatz schlägt die Brücke zwischen Auffindbarkeit und Vertrauen durch mehr Zusammenarbeit und grundlegende Data Lineage. So entsteht eine Community rund um Ihre Daten ohne übermäßig strikte Reglementierung.
- Data & Analytics Governance Plattform: Wenn zu Ihren Zielen die Durchsetzung von Richtlinien, ein kontinuierliches Qualitätsmonitoring, lückenlose Data Lineage oder formale Governance-Workflows gehören, benötigen Sie eine umfassende und hochgradig strukturierte Konfiguration.
Diesen Unterschied frühzeitig zu erkennen, verhindert eine kostspielige Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Stakeholder und der technischen Realität.
Eine Vision kreieren und kommunizieren
In großen Organisationen ist der Wert eines Data Catalogs für Datenprofis offensichtlich, aber selten für den normalen Mitarbeitenden. Viele haben den Begriff „Data Catalog“ noch nie gehört, und ohne Kontext erscheint er nur als eine weitere administrative Last. Sie müssen eine Vision etablieren, die über die aktuellen Paint Points hinausblickt. Wie wird dieses Tool die Zusammenarbeit verbessern? Wie wird es echten Self-Service ermöglichen? Ein gut angenommener Katalog fördert eine Kultur, in der Daten vertraut, geteilt und proaktiv genutzt werden. Diese Vision muss klar kommuniziert werden, um die Organisation vom ersten Tag an darauf auszurichten.
2. Den passenden strategischen Fit finden
Sobald Ihre Vision klar ist, müssen Sie sicherstellen, dass die gewählte Lösung zu Ihrer spezifischen Umgebung passt. Inzwischen sollten Sie Ihre Anforderungen, den Umfang und die Vision definiert haben. Hier ist, worauf es bei der Auswahl der richtigen Lösung ankommt:
Kennen Sie Ihre Datenmanagement-Landschaft
Ein Data Catalog ist dazu entworfen Datensilos aufzubrechen und Klarheit zu schaffen, aber er wird nicht sofort jedes Problem in einer fragmentierten Datenlandschaft lösen. Sie benötigen ein solides Verständnis Ihrer aktuellen Umgebung: Ihrer Datensilos, IT-Systeme und Legacy-Technologien. Erstellen Sie vor der Auswahl eine High-Level-Datenkarte. Wenn Ihr Katalog sich nicht nativ mit 80 % Ihrer zentralen Legacy-Systeme verbinden kann, werden die Implementierungskosten (durch benutzerdefinierte Konnektoren) explodieren.
Verstehen Sie die DNA und Roadmap des Anbieters
In den letzten Jahren haben Anbieter ihren Umfang erweitert und viele Funktionen hinzugefügt. Generell lassen sie sich in zwei evolutionäre Strömungen einteilen:
- Catalog-First: Starteten mit Metadaten/Discovery und entwickelten sich in Richtung Governance (Hinzufügen von Lineage, Qualität, AI).
- Platform-First: Große Ökosysteme, die Data Catalog Funktionen zu breiteren Suiten hinzufügten.
Die Implementierung eines Data Catalogs ist eine langfristige Verpflichtung, weshalb die Stabilität und Ausrichtung des Anbieters essenziell sind. Bewerten Sie deren Geschichte, Produkt-Roadmap und Kundenbasis. Sind sie ein bewährter, stabiler Player? Ein schnelllebiger Innovator? Stimmt ihre strategische Ausrichtung mit der langfristigen Datenstrategie Ihrer Organisation überein? Die Entwicklung des Anbieters zu verstehen, stellt sicher, dass die Plattform auch Ihre zukünftigen Anforderungen unterstützen wird.
Usability ist der Treiber für Akzeptanz
Unabhängig davon, wie mächtig die Funktionen eines Katalogs sind: Er liefert nur einen Mehrwert, wenn die Leute ihn benutzen. Die Benutzerfreundlichkeit (Usability) ist oft das am meisten übersehene Auswahlkriterium, was sie zu einem der kritischsten Faktoren bei der Plattformwahl macht. Konzentrieren Sie sich auf Lösungen mit einer intuitiven, leicht zu navigierenden Oberfläche, die nicht nur Data Engineers, sondern auch Business-Anwender anspricht. Wir betrachten die Akzeptanz (Adoption) als genauso wichtig wie die Kernfunktionalität. Ohne eine benutzerfreundliche Oberfläche werden Sie Ihr Budget für ständiges Training ausgeben, anstatt tatsächlichen Mehrwert zu generieren. Akzeptanz entsteht nur durch niedrige Einstiegsbarrieren und eine gut gestaltete Benutzeroberfläche.
3. Den kulturellen Wandel orchestrieren
Einen Data Catalog zu implementieren, bedeutet nicht nur Software bereitzustellen, sondern eine neue Arbeitsweise zu verkaufen. Um eine „Elfenbeinturm-Lösung“ zu vermeiden bei dem ein hochentwickeltes Tool ungenutzt bleibt müssen Sie die kulturelle Integration aktiv managen.
Die Realität von Silos und „Norman“ anerkennen
Ihre Implementierung wird wahrscheinlich in einer Datenlandschaft landen, die durch Jahre technischer Schulden und isolierter Silos entstanden ist. Teams verlassen sich oft auf Inselwissen statt auf verifizierte Systeme. Der größte Konkurrent Ihres Data Catalogs ist keine andere Software, sondern die Gewohnheit, „einfach Norman zu fragen“. Obwohl Norman hilfreich ist, bricht das System zusammen, wenn Norman in den Urlaub geht, das Unternehmen verlässt oder einfach keine Zeit hat. Ihr Ziel ist es, die Organisation davon wegzubewegen, sich auf informelle Netzwerke zu verlassen, hin zu einem verifizierten System. Das passiert nur, wenn der Data Catalog als Helfer und nicht als Zeitfresser wahrgenommen wird.
Den organisatorischen Wandel planen
Die Vorteile eines Data Catalogs zu realisieren, erfordert aktive Planung. Sie verlangen von Abteilungen, Metadaten beizusteuern und neue Verantwortlichkeiten zu akzeptieren. Das geschieht nicht organisch.
- Identifizieren Sie Daten-Botschafter: Verlassen Sie sich nicht allein auf die IT. Finden Sie „Champions“ in Schlüsselabteilungen (Finanzen, Marketing, Ops), die für den Catalog werben können.
- Etablieren Sie Feedback-Schleifen: Nutzer müssen sich gehört fühlen. Wenn ein Nutzer nach einem Datensatz sucht und nichts findet, sollte er diesen sofort im Data Catalog anfordern können.
- Klären Sie die Stewardship: Definieren Sie vor dem Go-Live, wer dafür verantwortlich ist, Glossar-Begriffe zu genehmigen oder Datensätze zu zertifizieren.
Das „Was habe ich davon?“ vorbereiten
„Bessere Data Governance“ ist zu abstrakt, um den normalen Mitarbeitenden zu motivieren. Sie benötigen rollen- oder abteilungsspezifische Nutzenversprechen:
- Finanzen & Reporting: Verkaufen Sie den Catalog als Zeitersparnis. Er schafft eine „Single Source of Truth“ und eliminiert Tage, die mit dem Abgleich widersprüchlicher Excel-Tabellen verbracht werden.
- Operations: Konzentrieren Sie sich auf Effizienz. Zeigen Sie, wie klare Data Lineage Nacharbeiten reduziert, indem vorgelagerte Fehler erkannt werden, bevor sie das Dashboard beeinflussen.
- Compliance & Risk: Konzentrieren Sie sich z. B. auf DORA/FIDA. Zeigen Sie, wie der Catalog Nachweise für die Prüfbarkeit automatisiert und panikartige manuelle Datenmappings durch sofortige Berichte ersetzt.
Fazit
Die Implementierung eines Data Catalogs ist ein grundlegender Wandel in der Art und Weise, wie eine Organisation ihr wichtigstes Asset betrachtet. Erfolg kommt nicht durch das Ausrollen der Software mit den meisten Funktionen. Er entsteht durch:
- Usability vor Komplexität: Wenn Nutzer nicht darin navigieren können, werden sie es nicht nutzen.
- Mehrwert vor Kontrolle: Wenn Sie Finanzen und Operations nicht erklären, welchen Nutzen der Data Catalog für sie generiert, wird der Katalog leer bleiben.
- System vor Silos: Der Weg weg vom „Norman fragen“ erfordert, jeden Tag aufs Neue Vertrauen in die Plattform aufzubauen.
Indem Sie den Data Catalog als strategische Initiative und nicht als eine weitere Applikation behandeln, verwandeln Sie ihn von einem statischen Inventar in das Herzstück Ihrer Datenmanagement-Strategie.
Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an!
Joscha Hofer
Business Consultant