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Weaponeering im Luftkrieg der Zukunft
Der AIR FORCE TECH SUMMIT 2025

Der AIR FORCE TECH SUMMIT in Berlin vereint Innovationskraft aus Luftwaffe, Forschung und Industrie, um KI, autonome Systeme und vernetzte Multi-Domain-Operationen für die Anforderungen von morgen voranzutreiben. Inmitten einer komplexer werdenden Sicherheitslage bot der Summit eine zentrale Plattform für Entscheider und Fachleute, um praxisnah und branchenübergreifend Zukunftslösungen für die Luftwaffe zu gestalten

Unsere Experten Daniel Lipp (Lead Business Consultant) und Paul Meiwald (Senior Business Consultant) zeigten, wie Weaponeering zu einem zentralen Baustein im Ecosystem-of-Services wird und wo IT, KI und operationelle Expertise zusammenwirken, um Ergebnisse in Echtzeit zu ermöglichen.  Mit unserem Lösungsansatz SMASH (Smart Multi-Domain Attack & Strike Hub) demonstrierten sie, wie moderne Missionsservices taktische Entscheidungsprozesse beschleunigen und operative Überlegenheit sichern. Den gesamten Vortrag können Sie hier nachlesen.

Vom System-of-Systems zum Missionsökosystem - Geschwindigkeit als neue Währung militärischer Wirkung

Die moderne Luftkriegsführung steht an einem Wendepunkt. Während neue Plattformen wie UCAVs, Collaborative Combat Aircraft (CCA) und Remote Carrier in rasantem Tempo entwickelt werden, bleibt die Entscheidungsfindung häufig der Engpass. Die Ukraine hat eindrucksvoll gezeigt, dass Geschwindigkeit – nicht Masse – über operative Überlegenheit entscheidet. Digitale Sensor-to-Shooter-Ketten ermöglichen dort Entscheidungen und Wirkungen in Sekunden. Dieses Prinzip, oft als 'Speed of Relevance' bezeichnet, beschreibt die Fähigkeit, schneller zu handeln, als der Gegner reagieren kann. In Deutschland und Europa steht die Verteidigungsindustrie nun vor der Frage, wie diese Dynamik technologisch umgesetzt werden kann.

Vom System-of-Systems zum Missionsökosystem

Traditionell wurden militärische Systeme als geschlossene, monolithische Einheiten konzipiert. Doch die wachsende Komplexität moderner Konflikte und die Integration mehrerer Domänen – Luft, Land, See, Weltraum und Cyber – erfordern eine neue Denkweise. Multi-Domain Operations (MDO) bringen exponentiell mehr Schnittstellen, Datenströme und Entscheidungsoptionen mit sich. Klassische Führungs- und Battle-Management-Systeme, oft als 'Monolithe mit API-Pflastern' gewachsen, sind zu träge für diese Dynamik. Die Antwort liegt in einem Paradigmenwechsel: weg vom System-of-Systems hin zu einem Missionsökosystem.

Ein Missionsökosystem ist eine lose gekoppelte Architektur aus modularen, cloud-nativen Services. Diese Services – etwa für Situational Awareness, ISR-Collection, Targeting, Weaponeering oder Battle Damage Assessment – interagieren über standardisierte Schnittstellen und ermöglichen Informationsinteroperabilität über Plattformen, Domänen und Nationen hinweg. Grundlage bildet die NATO C3-Taxonomie, die funktionale Fähigkeiten in sogenannten COI-Services (Community of Interest Services) strukturiert.

SMASH als exemplarischer Weaponeering-Service

Eine der zentralen Herausforderungen moderner Luftkriegsführung liegt im Weaponeering – also der Berechnung und Auswahl der optimalen Effektor-Ziel-Kombination unter Berücksichtigung von Zeit, Risiko, Ressourcen und Kollateralschäden. Während traditionelle Prozesse hierfür Minuten benötigen, muss die Zukunft in Sekunden entscheiden können.

msg Defense & Aerospace hat mit SMASH (Smart Multi-Domain Attack & Strike Hub) einen solchen COI-Service prototypisch entwickelt. SMASH adressiert eine der kritischsten Fragen in MDO: Welcher Effektor auf welcher Plattform sollte gegen welches Ziel mit welchem gewünschten Effekt eingesetzt werden – und das in Sekunden statt Minuten?

Die Architektur folgt einem dreischichtigen Aufbau:

SMASH konsumiert Daten beispielsweise aus ISR-Fusion-Services (Lagebild), Plattform-Status-Daten (verfügbare Effektoren -im Verbund) und Commander's Intent (Missionsparameter, ROE). Diese Daten werden über standardisierte APIs in Echtzeit bereitgestellt. 

Das Herzstück besteht aus unterschiedlichen Modulen:

  • Best-Fit-Engine: KI-gestützte, multi-objective Optimization, die unter Berücksichtigung von Zeit, Erfolgswahrscheinlichkeit, Risiko und Ressourcenverfügbarkeit optimale Kombinationen ermittelt. Machine Learning wird gezielt für Pattern Recognition eingesetzt ("Welche Taktik hat gegen ähnliche Bedrohungen funktioniert?"), nicht für autonome Entscheidungen.
  • CDE-Modul (Collateral Damage Estimation): Simulationsbasierte Kollateralschadensabschätzung und -begrenzung gemäß der Operationsziele und -vorgaben, erweitert um dynamische Faktoren wie bewegliche Ziele und multi-domain-Effekte.
  • Constraint-Solver: Berücksichtigung von Restriktionen (Munitionsreserven, Reichweiten, Plattform-Health, zeitliche Fenster).

SMASH liefert keine binäre Empfehlung, sondern priorisierte Optionen mit Confidence Scores–Mit dem Konzept “Human-in-the-Loop" erhält dieser fundierte, binnen Sekunden berechnete Entscheidungsgrundlagen. Die Ausgabe kann direkt an Tasking-Services weitergegeben werden, die automatisiert ATO-Updates (Air Tasking Orders) an Operateure und Plattformen distribuieren- auch während der Missionsausführung über taktischen Datenlink. 

Praxisbeispiel: Wirkung in Sekunden

Ein modernes Missionsökosystem zeigt, wie Geschwindigkeit, Datenintegration und KI operative Überlegenheit ermöglichen:        
Ein MALE-UAS entdeckt ein feindliches Ziel und überträgt die Daten in Echtzeit an einen cloudbasierten Situational Awareness Service. Durch Multisensor-Fusion wird das Ziel bestätigt und verfolgt. Ein digitales Weaponeering-Modul – etwa SMASH – bewertet verschiedene Wirkoptionen, berücksichtigt Einsatzregeln, Zeitfaktoren und Kollateralschäden und liefert dem Commander optimierte Handlungsempfehlungen. Die Tasking-Anweisung erfolgt digital; bei Zieländerungen reagiert das System automatisch mit einer neuen Priorisierung. Anschließend übernehmen UAVs oder Satelliten das Battle Damage Assessment – die Ergebnisse fließen zurück und verbessern die Entscheidungsmodelle.

Technologische Enabler und Prinzipien

Drei Technologie-Prinzipien machen das Missionsökosystem realisierbar:

Cloud-Native Design

Durch Containerisierung (z.B. Kubernetes) lässt sich SMASH von taktischen Edges (On-Board-Computing in UCAV) bis zu zentralen Cloud-Infrastrukturen skalieren. Microservices bedeuten: Ein Ausfall der CDE-Komponente stoppt nicht die gesamte Best-Fit-Analyse. 

BizDevOps für Missions-Services

Bedrohungen evolvieren kontinuierlich – neue Waffensysteme, geänderte Taktiken, aktualisierte Bedrohungsdatenbanken. Services müssen genauso gewartet und weiterentwickelt werden wie die Plattformen selbst. Continuous Integration/Continuous Deployment (CI/CD) ermöglicht iterative Updates ohne monatelange Releasezyklen. 

Standards als Brücken, nicht als Fesseln

Wo die NATO Standards definiert hat (z.B. Air Weapon Matching Services, CI-1008), nutzen wir sie. Wo Standardisierung noch aussteht, entwickeln wir pragmatisch – und bringen bewährte Lösungen anschließend in die Allianz ein. Dies stärkt sowohl nationale Handlungsfähigkeit als auch NATO-Interoperabilität.

Fazit: Speed of Relevance als Leitprinzip

Ein System-of-Systems braucht ein Ecosystem-of-Services. Moderne Plattformen entfesseln Potentiale – Missionsökosysteme entfesseln den Missions-Erfolg, auch unter den hochdynamischen Bedingungen des modernen Gefechtsfeldes. Weaponeering- Services sind ein Anfang; weitere Services müssen folgen. Die Frage ist nicht mehr OB, sondern WIE und mit WEM wir dieses Ökosystem bauen.

Geschwindigkeit, Modularität und Vernetzung sind die neuen Währungen militärischer Wirkung. In hochdynamischen Einsatzszenarien entscheidet nicht die Größe der Flotte, sondern die Geschwindigkeit der Entscheidung. Die Verbindung von Cloud-Technologien, KI-gestützten Entscheidungsservices und Human-in-the-Loop-Architekturen eröffnet einen neuen Weg zu operativer Überlegenheit.

Europa hat die Chance, hier zu führen – wenn wir jetzt handeln. Es hat mit seiner industriellen Basis das Potenzial, nicht nur eigene Plattformen, sondern auch die dazugehörigen digitalen Betriebssysteme zu entwickeln. Technologische Souveränität bedeutet, nicht nur Hardware zu beherrschen, sondern auch die entscheidungsunterstützenden Services – von Targeting bis Battle Damage Assessment. Wer die Architektur kontrolliert, kontrolliert die Wirkung. Das Missionsökosystem ist daher nicht nur eine technologische, sondern auch eine strategische Aufgabe.

Ihre Ansprechpartner

Lipp, Daniel

Daniel Lipp

Lead Business Consultant

Daniel Lipp ist Lead Business Consultant und OTL d. R. Mit seiner Expertise für Kampfflugzeuge, Deep Strike und​ der Architekturentwicklung nach NAFv4 unterstützt er Kunden als Projektmanager und bringt dabei seine internationale Führungserfahrung mit ein.

Meiwald, Paul

Paul Meiwald

Senior Business Consultant

Paul Meiwald unterstützt seine Kunden in Themen der Data Science & IT-Sicherheit im militärischen Kontext. Als Senior Business Consultant und Hauptmann d. R. besitzt er außerdem fundierte Erfahrung im Themengebiet der Avionik und der Beratung in sicherheitskritischen Einsatzumfeldern.