Space & Defence im Krisenmodus
Zivile Dienstleister im LV/BV
Ausgangslage des Workshops:
Im Rahmen der Mission-K 2025 in Kalkar im September wurden, unterstützt durch das Weltraumkommando der Bundeswehr (WRKdoBw), aktuelle Problemstellungen aus den Bereichen Space Warfare und Space Domain Awareness vorgestellt und im Rahmen von interaktiven Challenges gelöst.
Einer dieser Workshops, moderiert von Laura Bartels von WRKdoBw und msg Kollegin Denise Potinius, war eine Challenge mit dem Titel "Zivile Dienstleister im LV/BV-Fall“. In dieser Challenge geht es um die Integration privater Unternehmen und Institutionen in militärische Operationen im Landes- oder Bündnisverteidigungsfall (LV/BV) – mit Fokus auf Datenschutz, Rollenverständnis und rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Ausgangsfrage lautete: Wie können wir zivile Dienstleister in militärische Anwendungen einbinden, ohne Kontrollverlust?
Nachfolgend werden, neben der Vorgehensweise, die ausgewerteten Ergebnisse vorgestellt und die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.
Vorgehensweise:
Die Challenge wurde von den insgesamt ca. 50 Teilnehmenden in sechs Durchgängen bearbeitet, die jeweils aufeinander aufbauten. In jedem Durchgang wurden drei Gruppen gebildet, in denen dann jeweils eines der folgenden Szenarien diskutiert wurde. Sowohl die Gruppenaufteilung als auch die Zuteilung der Szenarien wurden zufällig gelost.
Die Teilnehmenden bearbeiteten diese drei Szenarien:
- Militärischer Bedarf an kurzfristig verfügbaren, hochgenauen (Satelliten-)Daten von zivilen Unternehmen.
- Mitarbeitende, die sich aus ethischen oder persönlichen Gründen nicht an militärisch genutzten Projekten beteiligen möchten.
- Nutzung und Schutz privatwirtschaftlicher Infrastruktur durch militärische Kräfte, insbesondere hinsichtlich möglicher Bedrohungen und Sabotageversuche.
Zentrale Workshop-Erkenntnisse:
Generell stellten die Teilnehmenden fest, dass sich viele zivile Unternehmen und Institutionen bislang scheinbar nur wenig damit beschäftigen, was ein Verteidigungsfall für sie und ihre Geschäftstätigkeit bedeuten würde. Gleichwohl wurde die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer effektiven zivil-militärischen Zusammenarbeit – gerade auch im Verteidigungsfall – von den Teilnehmenden hervorgehoben, speziell für die Dimension Weltraum. Dieses Stimmungsbild zeigt, wenn auch nicht statistisch repräsentativ, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Konkret erarbeiteten die Teilnehmenden die folgenden Aspekte:
- Verfügbarkeit & Personal: Es ist kritisch, die Leistungsfähigkeit ziviler Organisationen auch im Verteidigungsfall zu gewährleisten, insbesondere wenn diese Beiträge zu militärischen Fähigkeiten leisten. Besonders relevant ist dabei eine frühzeitige Planbarkeit der Verfügbarkeit des eigenen Personals. Diese könnte im konkreten Fall eingeschränkt werden – insbesondere im Hinblick auf Reservistenstatus, Mehrstaatlichkeit oder rechtliche Verpflichtungen von Mitarbeitenden. Eine vorherige Erfassung und Verarbeitung entsprechender Informationen ist dabei natürlich Voraussetzung für Planbarkeit.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Es wird weiterhin erheblicher Informationsbedarf zu gesetzlichen Vorgaben gesehen, insbesondere bezüglich der Abgrenzung ziviler und militärischer Verantwortlichkeiten, Rahmenbedingungen für internationaler Mitarbeitender und im Kontext Datenschutz (DSGVO). Aufgrund bestehender Regelungen (bspw. DSGVO bei der Erfassung personenbezogener Daten zum Personal) wurden potenzielle Hindernisse in der Vorbereitung auf einen möglichen LV/BV identifiziert. Es wurde deutlich, dass klare Regelungen und transparente Kommunikation notwendig sind, um Unsicherheiten zu vermeiden und die Zusammenarbeit zwischen zivilen Dienstleistern und militärischen Stellen rechtssicher zu gestalten.
- Schutz von Infrastruktur: Die Sicherung privatwirtschaftlicher Infrastruktur durch militärische Kräfte wirft wichtige Fragen zu Rechten, Pflichten und dem Schutz von Unternehmenswerten auf – von Weisungsbefugnissen bis zum Schutz geistigen Eigentums. Die Diskussion zeigte, dass Unternehmen nicht nur ihre eigenen Interessen wahren, sondern auch einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Resilienz leisten müssen und auch wollen. Gleichzeitig gilt es, die Balance zwischen staatlicher Fürsorge und unternehmerischer Eigenverantwortung zu finden.
- Klarheit bzgl. Schnittstellen: Es sollte Wert daraufgelegt werden, dass zivile Unternehmen und Institutionen, die im LV/BV wesentliche Beiträge leisten müssen oder Liegenschaftsschutz benötigen, die relevanten Kontaktpunkte zur Bundeswehr, die relevanten Abstimmungs- und Meldewege der Bundeswehr sowie den „Modus-Operandi“ im Ernstfall kennen.
- Ethische Aspekte: Nicht zuletzt Diskutierten die Workshop-Teilnehmenden ethische Fragestellungen. Die Motivation oder auch die Ablehnung von Mitarbeitenden gegenüber militärisch genutzten Leistungen wurde offen angesprochen. Unternehmen erscheinen gut beraten, diese Aspekte aktiv zu adressieren, um sowohl die Integrität des eigenen Handelns als auch die Zufriedenheit und das Engagement der Belegschaft zu sichern.
Ansprechpartner
Dr. Martin E. Kügler ist Abteilungsleiter bei msg Defense & Aerospace und Dozent an der TUM. Nach seinem Studium arbeitete er mehrere Jahre in Forschung & Technologie, u.a. als Entwickler, Projektleiter und Chief Engineer, sowie Berater im FCAS-Umfeld. Als leidenschaftlicher Privatpilot unterstützt er heute Kundinnen und Kunden mit seiner langjährigen Expertise bei unterschiedlichen Themen, besonders im Bereich Multi-Domain Operations.
Fazit:
Intensive Diskussionen in den Workshop-Durchgängen zeigten zunächst einmal eine hohe Identifikation der Teilnehmenden mit den aufgeworfenen Fragestellungen. Die Ergebnisse des Workshops zeigen, dass die Integration ziviler Dienstleister im Verteidigungskontext nicht nur Herausforderungen, sondern vor allem auch große Chancen bietet.
Daraus resultierende Mehrwerte umfassen:
- Zugang zu spezialisiertem Know-how und innovativen Technologien
- Stärkung der Resilienz durch Diversifizierung von Kompetenzen
- Förderung eines gemeinsamen Verständnisses für Herausforderungen und Lösungsansätze
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das Zusammenspiel ziviler Dienstleister und militärischer Anwendungen ist ein komplexes, aber zukunftsweisendes Thema. Der Workshop hat gezeigt, dass der offene Dialog, die frühzeitige Auseinandersetzung mit rechtlichen und ethischen Fragen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren entscheidend sind, um tragfähige und innovative Lösungen für den Verteidigungsfall zu entwickeln.
Wir danken dem Weltraumkommando der Bundeswehr, Mission-K und allen Beteiligten für den offenen Austausch und freuen uns als strategischer Ansprechpartner und Impulsgeber für die Weiterentwicklung dieses wichtigen Themenfelds einen Beitrag leisten zu können.