

Robotik im Public Sector
Ein Thema für die Zukunft
Ein Interview mit Dr.-Ing. Pascal Hinrichs
Im Interview spricht Dr.-Ing. Pascal Hinrichs über die aktuellen Entwicklungen und Potenziale der Robotik – von Industrie, Logistik und Pflege bis hin zum Public Sector. Anhand nationaler und internationaler Beispiele zeigt er, wie Roboter Verwaltungsprozesse beschleunigen, Ressourcen sparen und die Qualität öffentlicher Dienstleistungen steigern können. Gleichzeitig werden die Herausforderungen in Bezug auf Akzeptanz, Datenschutz und technische Integration beleuchtet.
Was versteht man unter Robotik und worum geht es da?
Robotik ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das sich mit der Konstruktion, Programmierung und Anwendung von Robotern befasst. Roboter sind Maschinen, die bestimmte Aufgaben automatisch und ohne menschliche Eingriffe ausführen können.
- Ein Roboter besteht aus drei Hauptkomponenten: Sensoren, Recheneinheit und Aktoren. Sensoren dienen der Wahrnehmung der Umgebung und messen verschiedene Parameter wie Position, Geschwindigkeit, Temperatur, Kraft oder Distanz.
- Die Recheneinheit, oft ein Computer oder Mikrocontroller, verarbeitet die Informationen der Sensoren und trifft Entscheidungen, wie der Roboter reagieren soll. Dazu wird häufig auch künstliche Intelligenz genutzt.
- Die Aktoren setzen diese Entscheidungen in Bewegungen um, wie z. B. Motoren, Hydraulik- oder Pneumatikzylinder.
Durch die Kombination von Sensoren, Recheneinheit und Aktoren können Roboter auf ihre Umgebung reagieren, Entscheidungen treffen und Aufgaben autonom ausführen.
Es gibt verschiedene Arten von Robotern, wie Industrieroboter, Serviceroboter, humanoide Roboter, Roboterarme und Drohnen. Jeder Robotertyp hat seine eigenen Anforderungen und Einsatzbereiche.
Im Interview

Dr.-Ing. Pascal Hinrichs
Wie ist der aktuelle Stand? Wo wird Robotik eingesetzt und was für Möglichkeiten gibt es?
Robotik hat bereits in vielen Branchen Einzug gehalten, ihre Potenziale sind jedoch noch lange nicht ausgeschöpft.
- Industrie: Roboter übernehmen vor allem Fertigungsaufgaben wie Schweißen, Montage oder Transport. Ein Trend sind kollaborative Roboter (Cobots), die flexibel und einfach in kleinen und mittleren Unternehmen einsetzbar sind.
- Logistik: Autonome Transportroboter (AGVs, AMRs) automatisieren Prozesse wie Kommissionierung und Palettieren, erhöhen die Effizienz und senken Fehlerquoten.
- Landwirtschaft: Melk-, Fütterungs- und Reinigungsroboter sowie Drohnen steigern die Effizienz, sparen Ressourcen und helfen beim Fachkräftemangel.
- Bildung: Roboter unterstützen als Tutoren oder Telepräsenzgeräte beim Lernen und ermöglichen kranken Schüler:innen die Teilnahme am Unterricht.
- Sicherheit & Katastrophenschutz: Polizei, Militär und Feuerwehr nutzen Roboter für Aufklärung, Überwachung, Bombenentschärfung oder Rettungseinsätze in gefährlichen Umgebungen.
- Pflege: Erste Pilotprojekte zeigen, wie Roboter Pflegekräfte entlasten, logistische Aufgaben übernehmen und Pflegebedürftige sozial unterstützen können.

Mit fortschreitender Entwicklung von KI, Sensortechnik und Mensch-Maschine-Interaktion werden Roboter künftig noch vielseitiger einsetzbar sein – etwa im Einzelhandel, in Behindertenwerkstätten oder in neuen Servicetätigkeiten.
Welche Bedeutung hat das Thema für den Public Sector? Wie könnte Robotik perspektivisch in Zukunft genutzt werden?
Durch Effizienzsteigerung, Kostenreduzierung und Qualitätsverbesserung von Dienstleistungen können wir zukünftig eine Reihe von Anwendungsgebieten und Mehrwerten erschließen. Dadurch ergeben sich Chancen, den Public Sector in vielen Bereichen zu entlassen.
Hier ein paar nationale und internationale Beispiele, die diesen Zusammenhang verdeutlichen:
- RPA (Robotic Process Automation) als digitale Unterstützung in Behörden
In der Stadtverwaltung Lübeck wird RPA eingesetzt, um den akuten Personalmangel abzumildern. Bereits heute lassen sich bis zu 60 % der Verwaltungsarbeiten automatisieren – etwa Dokumentenablage oder Datenübertragungen – wodurch Mitarbeitende entlastet und Prozesszeiten deutlich verkürzt werden können. In Hamburg übernehmen seit 2021 rund 50 Softwareroboter wiederkehrende Aufgaben, etwa im Personalwesen oder bei Rückläufern aus Gehaltszahlungen – das spart monatlich rund 130.000 Arbeitsstunden.[1]
- RPA in Sozialverwaltungen – Beispiel Trelleborg (Schweden)
Die Sozialverwaltung der schwedischen Gemeinde Trelleborg automatisierte die Bearbeitung von Sozialhilfeanträgen mittels RPA. Die Bearbeitungszeit sank von durchschnittlich 10 Tagen auf 1 Tag, Entscheidungen wurden innerhalb von 24 Stunden getroffen. Das führte zu einer Kostenreduktion von rund 60 %, erweiterte Hilfsleistungen sowie einer signifikanten Entlastung der Mitarbeitenden.[2]
- Physische Serviceroboter in Verwaltungseinrichtungen
In Sagamihara City (Japan) unterstützt der KettyBot aktiv Stadtmitarbeitende: Er transportiert Dokumente zuverlässig im Gebäude und empfängt Besucher, was den Ablauf effizienter und den Service für Bürger:innen angenehmer macht.[3]
Neben diesen Beispielen sind aber viele weitere Anwendungsszenarien denkbar. Autonome Fahrzeuge wie Kehrmaschinen und Müllabfuhrfahrzeuge den Reinigungsprozess in Städten optimieren, indem sie Routen dynamisch anpassen und in Echtzeit auf Verkehrsbedingungen reagieren. Dies spart Personal und Betriebskosten. Roboter können auch in der öffentlichen Sicherheit eingesetzt werden, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu melden, indem sie Überwachungsaufgaben übernehmen, z. B. in öffentlichen Gebäuden oder bei Großveranstaltungen.
Zweitens können Roboter in Verwaltungsbehörden repetitive Aufgaben wie Dokumentenverarbeitung, Dateneingabe oder Archivierung übernehmen, wodurch Mitarbeiter entlastet und auf komplexere und strategische Aufgaben fokussiert werden. Roboter könnten auch als virtuelle Assistenten fungieren, um Bürger bei der Beantragung von Dokumenten oder der Klärung von Fragen zu unterstützen, was die Effizienz der Behörden steigern und die Wartezeiten für Bürger verkürzen würde.
In der Bildung können Roboter als Tutoren eingesetzt werden, um Schülern und Studierenden individuell angepasste Lerninhalte zu vermitteln, indem sie Simulationen durchführen oder als Werkzeuge für praktische Übungen dienen.
In der Pflege können Roboter Pflegefachpersonen physisch entlasten, z. B. durch das Anheben oder Positionieren von Patienten, was das Risiko von Verletzungen reduziert und es Pflegefachpersonen ermöglicht, sich auf die emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Patienten zu konzentrieren. Telepräsenzsysteme ermöglichen es Pflegefachpersonen, Patienten aus der Ferne zu überwachen, zu unterstützen und zu betreuen, was insbesondere in ländlichen Gebieten von Vorteil sein kann, in denen der Zugang zu professioneller Pflege begrenzt ist.
In Notfallsituationen können Roboter Rettungskräfte unterstützen, indem sie gefährliche Gebiete erkunden, Überlebende lokalisieren oder bei Bergungsarbeiten helfen. Auch in der Brandbekämpfung oder bei Rettungseinsätzen könnten Roboter gefährliche Aufgaben übernehmen, um die Sicherheit der Einsatzkräfte zu erhöhen.
Zusammenfassend bietet die Robotik zahlreiche Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und die Qualität von Dienstleistungen im Public Sector zu verbessern. Der gezielte Einsatz von Robotern in verschiedenen Bereichen wie Verwaltung, Bildung, Pflege und öffentliche Sicherheit könnte Ressourcen optimal nutzen und die Lebensqualität der Bürger erhöhen.
Vor welchen Herausforderungen stehen wir bei der Umsetzung? Wo siehst du das Thema bzw. die Entwicklung in den kommenden Jahren?
In der Umsetzung von Robotik im Public Sector stehen wir vor verschiedenen ethischen und technischen Herausforderungen. Eine der wichtigsten ethischen Herausforderungen ist die Akzeptanz und das Vertrauen in Roboter in sensiblen Bereichen wie der Pflege oder der öffentlichen Sicherheit. Viele Menschen haben Bedenken, dass Roboter menschliche Interaktionen ersetzen könnten, was zu einer mechanisierten und weniger empathischen Gesellschaft führen könnte. Es ist wichtig, dass die Entwicklung und Implementierung solcher Systeme partizipativ erfolgt, um die Bedürfnisse der Nutzer zu berücksichtigen und ethische Bedenken zu adressieren.
Eine weitere ethische Herausforderung ist der Datenschutz und die Privatsphäre, da Roboter oft sensible Daten sammeln. Es muss sichergestellt werden, dass diese Daten sicher und vertraulich behandelt werden, um den Datenschutz zu gewährleisten. Verantwortung und Haftung müssen ebenfalls geregelt werden, wenn ein Roboter einen Fehler macht oder Schaden verursacht.
Technische Herausforderungen umfassen Sicherheit und Zuverlässigkeit, Interoperabilität und Skalierbarkeit. Roboter müssen sicher und zuverlässig arbeiten, insbesondere in Bereichen, in denen sie mit Menschen interagieren. Roboter müssen in der Lage sein, mit bestehenden Systemen und Infrastrukturen zu interagieren, was standardisierte Schnittstellen und Protokolle erfordert. Die Technologie muss skalierbar sein, um in verschiedenen Anwendungsbereichen und Umgebungen eingesetzt werden zu können.
In Bezug auf die zukünftige Entwicklung erwarten wir Fortschritte in der KI, die eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Fähigkeiten von Robotern spielen wird. Die Integration von Robotern in den Alltag wird weiter voranschreiten, was durch fortschrittliche Technologien und eine zunehmende Akzeptanz in der Gesellschaft unterstützt wird. Regulatorische Rahmenbedingungen werden wichtig sein, um den Einsatz von Robotern in sensiblen Bereichen zu regeln, was Richtlinien für Datenschutz, Sicherheit und ethische Standards umfasst. So hat sich der Deutsche Ethikrat 2020 mit der Frage beschäftigt, wie Robotik für eine gute Pflege aussehen kann. Dabei kamen sie unter anderem zu dem Entschluss, dass es nicht wünschenswert ist, dass Roboter gleichrangig neben oder anstelle von menschlichen Pflegefachpersonen agieren.
Aus meiner Forschung und Erfahrung im Bereich der Robotik in der Pflege weiß ich, dass die Akzeptanz von Robotern stark von der Art und Weise abhängt, wie sie eingeführt und genutzt werden. Die Zusammenarbeit mit Pflegekräften und anderen Stakeholdern ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die entwickelten Systeme praktikabel und akzeptabel sind.
Insgesamt sehe ich großes Potenzial für die Robotik im Public Sector, aber es gibt noch viele Herausforderungen zu überwinden. Mit der richtigen Herangehensweise und der Berücksichtigung ethischer und technischer Aspekte kann die Robotik jedoch einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen leisten.
Wie kann die msg in der Thematik unterstützen?
Die msg bringt ihre umfassende Expertise ein, um öffentliche Einrichtungen beim erfolgreichen Einsatz von Robotik ganzheitlich zu begleiten – von der strategischen Planung bis zur konkreten Umsetzung. Wir analysieren individuelle Bedarfe, identifizieren geeignete Einsatzfelder und entwickeln passgenaue Roadmaps. Als Technologieberater unterstützen wir bei der Auswahl, Integration und Einführung geeigneter Systeme, realisieren Pilotprojekte und begleiten den Beschaffungsprozess. In der Praxis schaffen wir Mehrwert durch die Durchführung von Pilotprojekten und Prototyping, um innovative Robotikanwendungen unter realen Bedingungen zu erproben und weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus entwickeln wir maßgeschneiderte robotische Lösungen – in enger Zusammenarbeit mit Forschung und Technologiepartnern – und sorgen für ihre nahtlose Integration in bestehende IT-Landschaften. Dabei übernehmen wir die Entwicklung von Schnittstellen, passen Softwarelösungen an und stellen die Interoperabilität sicher. Auch die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben behalten wir im Blick: Mit fundierten Sicherheits- und Datenschutzkonzepten gewährleisten wir, dass alle Lösungen nicht nur technisch überzeugen, sondern auch den hohen Anforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit gerecht werden. Unser Anspruch: Prozesse intelligent optimieren, Innovationen nachhaltig etablieren und Organisationen fit für die Zukunft machen.
Im Interview

Dr.-Ing. Pascal Hinrichs
Dr.-Ing. Pascal Hinrichs ist seit April 2024 bei msg Public Sector im Bereich Arbeit und Soziales. Dort entwickelt er Produkte für die Sozialwirtschaft. Zuvor hat er im Bereich Robotik für die ambulante Pflege promoviert.