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Wie sich Gemeinden
gegen Hitzewellen wappnen

Fachleute warnen vor gesundheitlichen Folgen hoher Temperaturen. Kommunen im Münchner Umland entwickeln Konzepte. Unterföhring prüft mobile Berieselungsanlagen. Ismaning geht das Problem digital an.

Vorwort

msg und die Gemeinde Ismaning haben gemeinsam ein Smart-City-Reallabor ins Leben gerufen, um digitale Technologien zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels zu testen. Der erste Schritt des Projekts ist die Entwicklung einer detaillierten Hitzekarte, die besonders gefährdete Gruppen wie Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Säuglinge und Kleinkinder vor den gesundheitlichen Risiken durch extreme Temperaturen warnen soll. In der Süddeutschen Zeitung erklärt msg-Experte Helmut Lämmermeier die Hintergründe des Projekts. 

Im folgenden der vollständige Artikel aus der Süddeutschen Zeitung: 

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Portrait Helmut Lämmermeier

Helmut Lämmermeier

Geschäftsbereichsleitung Public Sector

Wie sich Gemeinden gegen Hitzewellen wappnen

Von Bernhard Lohr

Was Pfarrer auch predigen: Ihre Kirchen füllen sie damit selten. Jetzt erlangen die Gotteshäuser eine neue, zusätzliche Bedeutung für die Menschen. Sie werden als „kühle Orte“ ausgewiesen und in interaktiven Hitzekarten wie in München der Öffentlichkeit als Anlaufstellen nahegebracht. Der Klimawandel fordert seinen Tribut. Er belastet Kranke, Schwangere, Senioren und Kinder. Und Kommunen machen sich Gedanken, wie sie die unvermeidbaren Folgen der Erderwärmung für die Menschen abmildern können.

Bisher war der Sommer 2025 auszuhalten. Die Temperaturen waren eher gemäßigt und lockten die Menschen kaum in die Freibäder und an die Seen. Aber die vergangenen Jahre haben jeden spüren lassen, dass sich Grundlegendes verändert, die Sommer ungewöhnlich heiß, trocken und manchmal sehr stürmisch werden können. Global gesehen erwärmt sich Europa sogar überdurchschnittlich schnell. 1,8 Grad liegt die Temperatur im Raum München bereits über den Werten der vorindustriellen Zeit. An 20 Tagen mehr als Mitte des vorigen Jahrhunderts werden 25 Grad und darüber erreicht – und es gibt zusätzliche drei sogenannte „heiße Tage“; also Tage, an denen das Thermometer jenseits der 30 Grad anzeigt. Und das soll in Zukunft alles deutlich häufiger werden.

So fasste es kürzlich Benedikt Hehn zusammen, der sich als Klimafolgen-Anpassungs-Manager des Landkreises Ebersberg damit befasst, was für Schlüsse daraus zu ziehen sind. Der Landkreis Ebersberg hat ein fertiges Klimafolgen-Anpassungskonzept, das ausgehend von den Konsequenzen, die aus gesundheitlicher Sicht zu ziehen sind, bis hin zu Fragen der Siedlungsentwicklung, Landwirtschaft und des Katastrophenschutzes reicht. Als er das in einem Webinar der Energieagentur Ebersberg-München gemeinsam mit seiner Kollegin Luisa Ehmcke aus dem Münchner Landratsamt vorstellte, sprach er das Prinzip der „Klimazwillinge“ an. Demnach rangiert München heute auf einer Ebene mit Vaduz, 2030 werde es klimamäßig das Niveau von Lyon erreichen und 2070 erwartet man an der Isar Verhältnisse wie am Lido. Der Vergleich dann: Venedig.

So etwas schreckt nicht jeden gleich auf. Sommer, Sonne und „dolce vita“ in München, der nördlichsten Stadt Italiens? Friedrich Kiener ist erfahrener Allgemeinmediziner in der Stadt Unterschleißheim. Er hat dort in seiner Großpraxis mit vielen Ärzten mehr als jeden zweiten Bewohner in Behandlung und arbeitet als Notarzt. Kiener erzählt, wie er kürzlich einen dehydrierten älteren Mann wieder aufgepäppelt hat, der auf dem Rathausplatz in Unterschleißheim zusammengeklappt war.

Dieser habe ihm erklärt, er habe wenig getrunken, Sport gemacht und sich dann ein Bier gegönnt. Dann sei so ein Zusammenbruch kein Wunder, sagt Kiener. So etwas habe es immer schon gegeben. Er registriere bisher keine Zunahme an Notfällen wegen Hitze. Auch früher, also vor 30 oder 40 Jahren, habe er „Hundstage“ erlebt, an denen es brüllend heiß gewesen sei. Der durch Menschen gemachte Klimawandel sei für ihn Tatsache, sagt Kiener, aber: „Muss man vonseiten der Politik den Menschen sagen, was sie machen sollen, wenn es warm ist?“ Die Bewohner in südlichen Regionen machten es doch vor. Wenn es heiß sei in Italien, blieben sie zu Hause, ruhten sich aus und tränken mehr. Das seien „Binsenweisheiten“, sagt Kiener. Dafür brauche es keine Konzepte. „Da erklärt man Menschen für unmündig.“

Aus Sicht von Christian Schulz, Anästhesist, Intensiv- und auch Notfall-Mediziner, wird diese Haltung dem Ernst der Lage nicht gerecht. Er lebt in Hermannsdorf im Landkreis Ebersberg und ist als Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (Klug) überzeugt, dass die Gesellschaft schlecht auf die Herausforderung durch steigende Temperaturen vorbereitet ist. Studien wie vom Umweltbundesamt, nach denen es in den Jahren 2023 und 2024 bundesweit jeweils 3000 Tote durch Hitze gegeben habe, seien Beleg genug, sagt er. „Wir sind in einer Region, in der Hitzewellen drohen, die Wochen andauern können.“

Darunter litten vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders, diese müssten geschützt werden. Die Lage verschärfe sich. Und es gehe um harte Wahrheiten: Dachdecker fielen erschöpft von Dächern, sagt er, Marathonläufer kämen zu Tode. „Hitze ist die Klimawandel-Folge, die die meisten Menschenleben fordert.“ Dazu komme eine steigende Zahl an Erkrankungen durch Extremhitze, die in ihrer Dimension schwer zu fassen sei. „Das Thema hat eine ökonomische Bedeutung.“

Für Klima-Anpassungs-Manager Hehn steht die Notwendigkeit einer strategischen Herangehensweise ohnehin außer Frage. Er nutzt die Expertise von Organisationen von „Klug“ oder „Health for Future“, in denen ebenfalls Ärzte und andere Fachkräfte aus dem Gesundheitssektor organisiert sind. Er arbeitet mit der Ebersberger Kreisklinik, Seniorenheimen, Kindertagesstätten und Jugendzentren zusammen und hat konkrete Maßnahmen formuliert. Ein Pilotprojekt könnte etwa sein, Hitzethemen in der Pflegeberatung überhaupt erst einmal einzubringen.

Die Senioren und Seniorinnen im Pflegeheim „Haus am Valentinspark“ der Paritätischen Altenpflege in Unterschleißheim, die im Übrigen von der Praxis betreut wird, nehmen Hitzetage gehörig mit. Katharina Wolf, zuständig fürs Qualitätsmanagement im Haus, sagt, das spiele in den Besprechungen des Pflegepersonals längst eine Rolle. „Wir schauen auf den Wetterbericht. Sobald wir merken, es wird heiß, setzen wir uns zusammen.“

Es gebe ein Hitzekonzept des Trägers, doch vieles sei selbsterklärend. Die älteren Bewohner und Bewohnerinnen hätten ein vermindertes Gespür für Hitze und Austrocknung. Man schaue genauer darauf, dass die Rollos in den Zimmern unten seien, die Senioren würden angehalten, sich luftig zu kleiden, zu trinken und nachts nur Laken zu benutzen. Auch werde anderes Essen als gewöhnlich aufgetischt, wie etwa Melone, die Wasser zuführe, um den Flüssigkeitshaushalt zu regulieren.

Katharina Wolf lebt selbst in Unterschleißheim und schaut im Sommer bei brütender Hitze nach schattigen kühlen Plätzen. Sie schätzt mittlerweile besonders den Berglwald mit seiner dichten Vegetation und den Bächen. Solche Themen behandeln die Klimafolgen-Anpassungskonzepte auch. So gibt es in Ebersberg viele Anstöße, was sich in der Städteplanung bis hin zum Verkehr, zur Wirtschaft und zur Landwirtschaft ändern sollte.

Im Münchner Landratsamt arbeitet Kollegin Luisa Ehmke mit 27 Kommunen, außer Ottobrunn und Sauerlach, bis Ende des Jahres ähnliche Themen ab. Ehmke fragt, „wie können Straßenzüge begrünt werden“, wie Wasserspeicher und Retentionsflächen entstehen? Viel sei mit Fassadenbegrünung zu erreichen, ein Quadratmeter Fläche bringe bis zu 15 Liter Verdunstungswasser. Auch plane sie eine Karte, auf der kühle Orte eingezeichnet sind. Manche Kommunen hätten Förderprogramme für die Entsiegelung von Flächen aufgelegt.

Viele Kommunen sind schon weiter. Sie richten öffentliche Trinkwasserbrunnen ein wie Unterschleißheim im Rolf-Zeitler-Park und am Rathausplatz, damit Bürger und Bürgerinnen überall Flüssigkeit zu sich nehmen können. Unterföhring hat gerade einen Hitzeaktionsplan vorgelegt und prüft, ein mobiles Beregnungs- und Sprühnebelsystem anzuschaffen, das an exponierten Orten aufgestellt werden kann.

Bushaltestellen sollten besser beschattet werden, teilt das Rathaus mit, und erwägt das Aufbringen von Schutzfolien. Mehr Flächen sollten begrünt, Schattenplätze geschaffen oder auch kühle Gebäude in der Gemeinde geöffnet werden, wie etwa die Kirchen. Langfristig sollten Flächen entsiegelt und bei gemeindlichen Bauvorhaben solle auf klimagerechtes Bauen und Frischluftschneisen geachtet werden. Ein „Hitzeteam“ im Rathaus soll weiter an den Themen arbeiten.

In Unterschleißheim gehört Stadtrat Tino Schlagintweit (Grüne) zu den Stimmen, die vor Hitzeinseln durch zu viel Beton warnen und zum Schutz der Menschen um das Stadtgrün kämpfen. Er setzte sich für den alten Baumbestand ein, der am Münchner Ring schließlich doch der neuen Michael-Ende-Grundschule weichen musste. Schlagintweit beklagt, es fehle vielen am Bewusstsein, wie wertvoll alte Bäume seien, die die Umwelt viel stärker positiv beeinflussten als junge. „Die Vegetation in der Stadt ist eine Infrastruktur, die genauso wichtig ist wie Kanäle und Straßen.“ Noch werde zu viel gefällt und von der Stadt zu wenig nachgepflanzt. „Was man sieht, ist überwiegend privates Grün.“ Aber auch das schwinde, weil auf Grundstücken wie in Lohhof-Süd nachverdichtet werde. Der Grün-Bestand nehme trotz der Dringlichkeit, Hitze-Hotspots zu vermeiden, ab.

Einen innovativen Ansatz verfolgt die Gemeinde Ismaning in Kooperation mit dem im Ort ansässigen Software-Beratungsunternehmen msg. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sollen helfen, Menschen zu informieren und zu warnen. Es geht wieder um eine Karte, die aber in dem Fall einen kleinräumigen Echtzeitüberblick über urbane Hitzeinseln und nicht nur Standorte von Trinkbrunnen zeigt.

Die Umsetzung erfolgte innerhalb eines gemeinsamen Reallabor-Ansatzes, in dem innovative Anwendungsfälle mit klarem Nutzen für die Bürger und Bürgerinnen erprobt und direkt umgesetzt werden sollen. Helmut Lämmermeier verantwortet als Geschäftsbereichsleiter Public Sector das Thema Smart City bei msg. Er hat als erstes konkretes Ergebnis eine innovative Hitzekarte entwickeln lassen, die auf Straßenzüge heruntergebrochen aktuelle Hitzepunkte zeigt und sogar eine Prognose für die nächsten Tage erlaubt.

In Ismaning wurden dafür wenige Hitzesensoren an mehreren Orten wie etwa im Haidpark oder am Busbahnhof installiert. „Mit wenigen echten Daten zur Temperatur und Luftfeuchte berechnen wir die gefühlte Hitze für die gesamte Gemeinde“, sagt Lämmermeier. Dazu kämen aus Satellitenaufnahmen gewonnene Informationen zur Beschaffenheit der Umgebung wie Baumbewuchs oder dem Grad der Versiegelung. Dann erhalte man zwar nicht zu 100 Prozent exakte, aber gut verwendbare Daten, um als Kommune der Bevölkerung zu helfen und diese auch zu warnen.

„Zudem ziehen Kommunen selbst den größten Nutzen, da das Hitzeradar zusätzlich dabei hilft, eventuelle bauliche Veränderungen – wie zum Beispiel Anpflanzungen oder Frischluftschneisen – besser zu planen.“ Aktuell läuft Lämmermeier zufolge die Testphase, die Karte werde in den kommenden Tagen für alle zugänglich freigeschaltet.

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