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Digitale Daseinsvorsorge als Erfolgsfaktor moderner Kommunen

SMART CITY 1.0 – DIE TECHNISCHE SICHT

In der sogenannten „fünften industriellen Revolution“ hatte die Digitalisierung Fahrt aufgenommen. Unter dem Stichwort Industrie 4.0 veränderte sie zunächst rasant die Wirtschaft und dann – unter dem Schlagwort „Smart City“ – auch die Kommunen. In einer ersten Welle schien es, als ob man mittels Technologie und Veränderung von Prozessen eine Kopie von Industrie 4.0, also eine „City 4.0“, schaffen könne. In dieser City 4.0 sollten mittels des Internets der Dinge und der „Smartifizierung“ möglichst viele Bereiche des kommunalen Ökosystems entsprechend umgebaut werden. Aus dieser technischen Sicht betrachtet, „erwacht“ die Smart City durch viele Sensoren und Aktoren, die Daten aus den verschiedensten Handlungsfeldern liefern, zum Leben – es entsteht ein digitaler Zwilling der physikalischen City.

In einem aktuellen Dokument der DIN1 werden zehn Handlungsfelder für die Digitalisierung identifiziert: digitale Infrastrukturen, digitale Verwaltung, Mobilität, Bauen und Wohnen, Energie, Umwelt, Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Tourismus, Kultur und Freizeit. Jeder einzelne Bereich kann durch entsprechende Kombination von Vernetzung und Informationstechnologie digitalisiert werden. Die Kombination aus dem bestehenden Anschluss an das elektrische und nun das IP-Netz hat zum Beispiel den Funktionsumfang einer gewöhnlichen Straßenlaterne um verschiedenste Anwendungsfälle wie beispielsweise Umwelt- oder Parksensoren, E-Ladestation oder WLAN in eine intelligente Infrastruktur erweitert.2

In der digitalen Verwaltung wird unter anderem durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen vorangetrieben. Im Verkehr von morgen auf dem Boden oder in der Luft kommunizieren mittels unterschiedlicher Protokolle und Daten Fahr- oder Flugzeuge miteinander (und beispielsweise auch mit der intelligenten Straßenlaterne). Der Verkehr benötigt keine Straßenschilder und gegebenenfalls auch keine Fahrer.3

Dies ist nur ein Beispiel für die vielen unterschiedlichen Nutzungsszenarien in den einzelnen Handlungsfeldern einer Smart City, der darunterliegenden digitalen Infrastruktur und der daraus resultierenden Ökonomie. Das Grundprinzip, durch die Kombination von Energie sowie Informations- und Kommunikationstechnologie Daten zu erzeugen, zu sammeln, zu harmonisieren, zu analysieren und damit neue innovative Lösungen und Anwendungen zu ermöglichen, zeigt das grundsätzliche Potenzial der digitalen Transformation von Kommunen auf. Die Nutzung kommunaler Daten ermöglicht beispielsweise Mobilitätsdienste, die verschiedene Angebote des öffentlichen und privaten Verkehrs miteinander oder mit anderen Diensten verknüpfen. Beispiel hierfür sind Linienbusse, die bei geringen Fahrgastzahlen in Randzeiten auch Pakete befördern. Dazu ist neben der Digitalisierung der Handlungsfelder auch die horizontale Verknüpfung über unterschiedliche Domänen in einer offenen, standardisierten Smart-City-Datenplattform notwendig.4 Sie stellt die Basis für die Kombination kommunaler Daten und einer kommunalen Plattformökonomie dar. Während die ersten Konzepte und Umsetzungen von der „Smart City“ hier enden, ist inzwischen die Notwendigkeit, diesen technologischen Umbruch dringend aus der Perspektive der Menschen und mit Rücksicht auf die Umwelt mitzugestalten, klar in den Vordergrund getreten.

DIE DIGITALE KOMMUNE VON MORGEN IST EIN BALANCEAKT

Die rein technisch und ökonomische Betrachtung der Smart City muss um eine soziologische (Lebensqualität, Mensch im Mittelpunkt) und ökologische Sicht (klimabewusst, ressourcenschonend) ergänzt werden (siehe Abbildung 1). Eine „ideale“ digitale Transformation schafft also die Balance zwischen der technisch-ökonomischen und der soziologisch-ökologischen Sicht.

smart city vernetzung

Deutschland und Europa mit ihrer, im Vergleich zu Asien, Amerika und Afrika, geringeren Zahl großer Metropolen oder „Megastädten“, aber mit ähnlichen Problemen, wie hohen Mieten in Ballungszentren, können Vorreiter einer digitalen Teilhabe auf dem Land (Smart Country)5 sein und damit eine echte Wahlmöglichkeit (zum Beispiel durch Heimarbeit) für die Menschen schaffen. An die Stelle der „Smart City“ tritt das Ökosystem der intelligenten Kommune, die alle Gebietskörperschaften, wie große Städte wie Berlin, Landkreise, aber auch kleine Dörfer einbezieht. Zusätzlich muss diese Balance im Einklang mit den verschiedenen Ebenen des Systems, das eine Kommune bildet, stehen und nationalen und globalen Herausforderungen genügen. In Deutschland und Europa haben sich Kommunen im Laufe der letzten Jahrhunderte als Siedlungsräume an attraktiven Standorten gebildet. Hier war und ist die natürliche Umgebung und die damit einhergehende Topologie ausschlaggebend, für die kommunale Entwicklung beispielsweise als Hafenstädte, Handels- oder Tourismuszentren. Durch die Globalisierung stehen Kommunen mittlerweile in einem globalen „Attraktivitäts-Wettbewerb“.

Seit den 1970er-Jahren wurde auf globale Herausforderungen wie demografischer Wandel, Urbanisierung, Endlichkeit von Ressourcen und den Klimawandel hingewiesen und ein nachhaltiger, effizienter Umgang gefordert (siehe auch die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen)6. Kommunen, die an Wasserstraßen oder am Meer liegen, benötigen neue Konzepte, um im Klimawandel resilient zu sein. Um Menschen und die Wirtschaft anzuziehen, stand im Fokus der Politik die analoge Daseinsvorsorge. Doch das genügt heute nicht mehr – sie muss um eine digitale Daseinsvorsorge in Form einer digitalen Infrastruktur ergänzt werden. Die Bürger erwarten diese kombinierte Daseinsvorsorge als wichtiges Element einer hohen Lebensqualität, die damit auch die (lokale) Gesellschaft prägt. Die Aufgaben der Politik und die damit verbundene Stadtentwicklung sind im Laufe der Zeit immer komplexer geworden beziehungsweise stehen jetzt vor einem großen (digitalen) Umbruch: Sie müssen den Spagat zwischen den Bedürfnissen der lokalen Gesellschaft, der  Wirtschaft, die gute ökonomische Rahmenbedingungen fordert, und rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen (zum Beispiel Bundesländer, Bund und EU) schaffen. Die digitale Transformation stellt Kommunen und deren Akteure gemeinsam vor große Herausforderungen, da nicht nur einzelne Bereiche oder  Wirtschaftszweige, sondern das gesamte Ökosystem einer Kommune betroffen ist (siehe Abbildung 2). Der Begriff Smart City – oder besser: die intelligente Kommune – wird daher aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Bedürfnissen definiert.

 

WIE WEIT IST DIE UMSETZUNG UND WIE WIRD SIE GESTALTET?

Viele Kommunen in Deutschland und Europa haben sich mit dem Thema Smart City beschäftigt oder sind bereits auf dem Weg. In Leuchtturm-Projekten des EU-Förderprogramms „Horizon 2020“, wie mySMARTLife7, wurden in Projektgebieten erste integrierte Lösungen umgesetzt – zum Beispiel Bestandsgebäude-Modernisierung kombiniert mit erneuerbaren Energien und intelligenten Energienetzen, Mikro-Mobilitäts- und Logistikzentren oder E-Mobilität auf einer Smart-City-Plattform.

Für kleinere oder mittelgroße Kommunen ist der Prozess herausfordernder, da es oft am notwendigen Personal, an Fähigkeiten und Fachwissen mangelt. Außerdem besteht hier die Gefahr, dass schnell eine „Regallösung“ verwendet wird, wodurch Kommunen von einer Technologie oder einem einzelnen Lösungsanbieter abhängig werden, was die Interoperabilität von Systemen einschränken kann. Viele Lösungen basieren auf isolierten technischen Plattformen, was zwar zu einer Effizienzsteigerung innerhalb einer einzigen Domäne führt, nicht jedoch des gesamten Systems. Insgesamt werden wichtige übergreifende Probleme wie Umweltverschmutzung, Armut und Abfallreduzierung damit nicht gelöst. Das hängt damit zusammen, dass es meist keine übergreifende Digitalstrategie gibt. Der aktuelle Bitkom-Smart-City-Atlas hat herausgefunden, dass nur 19 der 50 untersuchten Städte (38 %) über eine digitale Agenda verfügen.8

Aufgrund der großen Zunahme von öffentlichen und privaten Daten benötigen wir neue Blickwinkel hinsichtlich der Sicherheit, Zugänglichkeit und deren Einsatz. Einige große internationale Akteure könnten versuchen, städtische Daten zu erfassen, zu privatisieren und somit das digitale Ökosystem zu monopolisieren. Daher ist es notwendig, durch die Nutzung von globalen und offenen Standards in derAbbildung 2:  Verschiedene Ebenen einer digitalen Kommune Plattformökonomie Abhängigkeiten und das Entstehen von Monopolstrukturen zu verhindern. Nur auf der Grundlage offener, globaler Standards können Smart-City-Plattformen nachhaltig Anschlussfähigkeit und Datensouveränität gewährleisten.9

Daher müssen sich die deutsche Wirtschaft und kommunale Vertreter stärker in der internationalen Standardisierung von domänenspezifischen Smart-City-Plattformtechnologien und -Prozessen, wie zum Beispiel im DIN-Smart-City-Standards-Forum oder DKE-System-Komitee Elektrotechnische Aspekte von Smart Cities, engagieren. Die digitale Stadt von morgen sollte in Richtung eines partizipativen Ökosystems weiterentwickelt werden, das sowohl die Metropolregion als auch die Umwelt adressiert. Die Stadt der Zukunft muss ein gesunder, lebendiger Organismus sein, der sich mit der urbanen Gesellschaft kontinuierlich weiterentwickelt.

UNTERSCHIEDLICHE WEGE FÜHREN ZUM ZIEL

So wie jede Kommune unterschiedlich ist, gibt es auch unterschiedliche Transformationspfade – aber auch einige grundlegende Aspekte, wie unter anderem:

Antreiber und Steuerungsarchitektur: Der Veränderungsprozess benötigt Handelnde, die das Thema inhaltlich vorantreiben und vorbereiten. Idealerweise werden diese von unterschiedlichen städtischen Akteuren unterstützt. Mithilfe von Netzwerken etabliert sich dann eine Organisations- und Steuerungsarchitektur, die idealerweise von der Politik getragen beziehungsweise mit Durchsetzungskraft versehen und in der Verwaltung beispielsweise mittels eines Digitalbeauftragten verankert ist.

Beteiligungsprozesse und Mitgestaltung: Durch frühzeitiges Einbinden aller Akteure und Bürger der Kommune mittels Informations- und Partizipationsveranstaltungen können wertvolle Impulse erarbeitet werden, die Akzeptanz und Unterstützung gewährleisten, womit die verschiedenen Blickwinkel eingefangen und berücksichtigt werden. Mithilfe regelmäßiger Informationsveranstaltungen, beispielsweise in Real- und Digitallaboren, kann sich die Kommune sukzessiv und iterativ gemeinsam weiterentwickeln.

Digitalisierungs- und Umweltstrategien: Da der Weg zu einer intelligenten Kommune sehr komplex ist, ist eine Digitalisierungsstrategie notwendig, die idealerweise mit einer Umweltstrategie gekoppelt ist. Letzte ist zum Beispiel im EU-Ausschreibungskontext teilweise gefordert. Die Digitalisierungsstrategie sollte neben einem Leitbild auch eine technische Strategie, die auf offenen Standards basiert, beinhalten. Sind beide Strategien vorhanden, bilden sie die Grundlage für die weiteren Schritte, unter anderem für eine Vision, die dazu passende Zielmetrik (wie CO2-Reduktion), einen entsprechend den ausgewählten Pilotumgebungen gestalteten Zeitplan. Anpassungen oder Änderungen aufgrund von aktuellen Ergebnissen müssen eingeplant sein.

Reallabore: Wenn möglich ist, können die Informationsveranstaltungen in einer Art Laborumgebung abgehalten werden, in der Technologien dauerhaft oder zeitlich begrenzt allen Beteiligten veranschaulicht werden, zum Beispiel auf dem Campus einer Hochschule. Sukzessive gibt es dann im kommunalen Raum Orte (Reallabore), in denen Lösungen getestet und später auf die Kommune oder Region ausgerollt werden.

Fazit: Die digitale Transformation ist kein Projekt, sondern eine Welle!

 

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Quellen

1. DIN 91387 Kommunen und Digitale Transformation – Handlungsfelder (Veröffentlichung geplant Ende 2019).
2. DIN 91347 Integrierter multifunktionaler Humble Lamppost (imHLa).
3. DIN 91367 Urbane Mobilitätsdatensammlung für Echtzeitapplikationen.
4. DIN 91357 Open Urban Platforms.
https://www.mysmartlife.eu/mysmartlife/ (abgerufen am 18.11.2019).
8 Bitkom Smart City Atlas 2019 (https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019-03/190318-Smart-City-Atlas.pdf, abgerufen am 19.11.2019).
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