Zuerst erschienen in der .public Ausgabe 01-2024
von Werner Achtert und Frank Gestl
Seit der Veröffentlichung unserer Studie zur IT-Konsolidierung im Herbst 2021 veränderten sich demografische, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie nationale und internationale Sicherheitsinteressen. Dieser Wandel hat vielfältige Auswirkungen und zwingt alle Beteiligten, die die „Digitale Transformation“ der Bundesrepublik vorantreiben, zu Anpassungen in ihren Vorgehensweisen. So führten exemplarisch die Maßnahmen der bis in das Jahr 2022 andauernden Covid-19-Pandemie zu einer über das Ende der Pandemie hinaus veränderten Arbeitswelt.
Der Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung ist weiterhin eine der größten Herausforderungen und hemmt den Fortschritt der Konsolidierung. Gleichzeitig sollte dieser Fachkräftemangel aber auch der Treiber für eine beschleunigte Konsolidierung und weitgehende Automatisierung von IT-Lösungen sein.
Behörden sind ebenso wie die öffentlichen IT-Dienstleister im Rahmen der IT-Konsolidierung mit einer Vielzahl von fachlichen, organisatorischen und technischen Herausforderungen konfrontiert. Das Bemühen der Politik, diese Themen umzusetzen, ist an vielen Stellen erkennbar. Zugleich zeigen insbesondere die für unsere Studie durchgeführten Gespräche mit Expertinnen und Experten auf, dass eine Steuerung der Digitalstrategie durch die Politik auf Basis von smarten Zielen (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) nicht immer gegeben ist.
Seit 2015 erstellt und veröffentlicht msg im Abstand von zwei Jahren die Studie „IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung“. Dafür werden einerseits fragebogengestützte Interviews mit Behörden des Bundes, der Länder und Großstädte geführt. Ergänzend erfolgt eine Reihe persönlicher Gespräche mit Führungskräften von Behörden und öffentlichen IT-Dienstleistern sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der politischen Verwaltung. Erstmals wurden in der aktuellen Studie auch die für Deutschland ausgearbeiteten Ergebnisse mit dem Stand der Konsolidierung in unserem Nachbarland Österreich diskutiert und verglichen. Die Studie beleuchtet folgende Themenfelder:
- Wie ist die Einschätzung zur Lage der IT in der öffentlichen Verwaltung, was sind die wichtigsten Themen in den nächsten Jahren?
- Wie ist die Personalsituation und welchen Stellenwert hat mobiles Arbeiten?
- Welche Dienstleistungen werden für Behörden bereits jetzt durch öffentliche IT-Dienstleister erbracht oder werden zukünftig an öffentliche IT-Dienstleister ausgelagert?
- Welche Ziele sind mit der Auslagerung an öffentliche IT-Dienstleister verbunden, wie konnten diese Ziele bei bereits durchgeführten Auslagerungen erreicht werden und wie zufrieden sind Behörden mit der Leistungserbringung durch die öffentlichen IT-Dienstleister?
- Welche Herausforderungen und Hindernisse bestehen aus Sicht der Beteiligten bei der Auslagerung von IT-Leistungen an öffentliche IT-Dienstleister in den kommenden Jahren?
- Werden Fachverfahren oder Querschnittsdienste aus einer Cloud bezogen? Welche Ziele und Nutzungsmöglichkeiten bestehen? Was sind hierbei besondere Hemmnisse?
- Welche Maßnahmen werden im Rahmen der Registermodernisierung geplant oder ergriffen, wie ist der Informationsstand bei den Beteiligten?
- Wie werden die Erfolgschancen eingeschätzt und was sind kritische Herausforderungen?
- Welche organisatorischen und technischen Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, um die Resilienz gegenüber Cyberattacken zu erhöhen?
- Inwieweit werden diese Maßnahmen durch öffentliche IT-Dienstleister umgesetzt?
- Werden Fachbehörden noch in der Lage sein, die erforderlichen Aufgaben selbst zu verantworten?
Mit der fortschreitenden IT-Konsolidierung, den damit verbundenen Erfolgen und gleichzeitig neuen technologischen Möglichkeiten ergeben sich auch neue Herausforderungen und Fragestellungen. Wir haben für unsere aktuelle Studie den Fragenkatalog überarbeitet und betrachten neben der Betriebs- und Dienstekonsolidierung die Themen Cloud-Nutzung, Registermodernisierung sowie Resilienz gegenüber Cyberattacken.
Die Studie 2023 gibt wie auch die vier Bände von 2015 bis 2021 einen Überblick über die Landschaft der öffentlichen IT-Dienstleister in Deutschland, die Fortschritte der IT-Konsolidierungsvorhaben und die Verlagerung von IT-Aufgaben an IT-Dienstleister.
Ausgewählte Ergebnisse im Detail
Zufriedenheit mit den Ergebnissen der Dienstekonsolidierung
In der Gesamtheit der aufgeführten Ziele zeigt sich über alle Verwaltungsebenen hinweg eine überwiegende Zufriedenheit mit der Zielerreichung. Die Zufriedenheit mit der Erfüllung der Ziele hinsichtlich der Datenschutzanforderungen ist bei den Behörden aller Verwaltungsebenen am höchsten. 77 % der Bundesbehörden, 83 % der Landesbehörden und 76 % der Großstädte geben an, voll oder teilweise zufrieden mit der Zielerreichung zu sein.
Inwieweit sind Sie mit den erreichten Zielen bei der Auslagerung von IT-Diensten zu einem öffentlichen IT-Dienstleister zufrieden?
Tabelle 1
Die Landesbehörden äußern außerdem, im Gegensatz zu den Behörden der Großstädte, mit 79 % eine hohe Zufriedenheit mit der Erreichung von behördenübergreifender Vernetzung durch die Nutzung einheitlicher Dienste. Die Behörden der Großstädte sind hingegen in hohem Maße (72 %) zufrieden mit der Nutzung von Synergien beziehungsweise der Nachnutzung von Diensten. Dies könnte in Verbindung mit der in den Großstädten vergleichsweise weit verbreiteten Nutzung von Basis- und Querschnittsdiensten im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) stehen.
Inwieweit sind Sie mit den erreichten Zielen bei der Auslagerung von IT-Diensten zu einem öffentlichen IT-Dienstleister zufrieden?
Tabelle 2
Auf allen Verwaltungsebenen zeigt sich eine geringere Zufriedenheit mit dem erreichten Innovationsgrad und der Geschwindigkeit der Bereitstellung der standardisierten Dienste. Letzteres wurde bereits im Rahmen der Betriebskonsolidierung thematisiert und ist bei den befragten Behörden durchaus mehrheitlich als wichtiges Ziel bezeichnet worden.
Spezifisch für die Landesbehörden und die Behörden der Großstädte, die im Vergleich zum Bund das Ziel der Kostensenkung durch die Auslagerung stärker verfolgen, ist zudem eine hohe Unzufriedenheit mit der diesbezüglichen Zielerreichung. Knapp die Hälfte der Behörden der Großstädte und ein Drittel der Landesbehörden geben an, teilweise oder sehr unzufrieden mit der erreichten Kostensenkung zu sein, schätzen die Kosten jedoch teilweise gerade im Hinblick auf die Erfüllung von hohen Sicherheitsanforderungen als berechtigt ein. Aus den Experteninterviews geht ebenfalls hervor, dass es oftmals an einer klaren Ausarbeitung der Ziele sowie an Reifegradmodellen fehlt. Dies ist jedoch eine Voraussetzung dafür, die Erreichung der Ziele zu überwachen und messbar zu machen. Diesbezüglich äußern die Gesprächspartner den Wunsch nach deutlicheren Zielvorgaben seitens der politischen Entscheidungsträger.
Inwieweit sind Sie mit den erreichten Zielen bei der Auslagerung von IT-Diensten zu einem öffentlichen IT-Dienstleister zufrieden?
Tabelle 3
Hemmnisse für die Nutzung von Cloud-Diensten
Die größten Hemmnisse, Cloud-Dienste auf Bundesebene zu nutzen, sind mit 48 % Bedenken im Hinblick auf die IT-Sicherheit und mit 40 % die Abhängigkeit vom Anbieter. Ein bedeutendes Hemmnis ist auch der mögliche Verlust der Souveränität über Daten und Dienste und mit ebenfalls 36 % gleichauf die Sorge, dass die Cloud nicht den erforderlichen Schutzbedarf abdeckt. Einzelne Meinungen aus den Expertengesprächen widersprechen dieser Aussage, da sie Sicherheitsbedenken eher als vorgeschobenes Argument sehen, hinter dem die Sorge um den gefühlten Kontrollverlust steht. Für die IT-Betriebsplattform Bund können die Sicherheitsbedenken in hohem Maße entkräftet werden, da diese die Zertifizierung nach ISO 27001 sowie die VS-Freigabe nach der Verschlusssachenanweisung (VSA) erhalten hat.
Welche Faktoren hindern Ihre Behörde daran, Dienste aus einer Cloud zu nutzen?
Tabelle 4
Elf Hyperscaler und andere Cloud-Anbieter investieren ebenfalls in hohe Sicherheitsstandards. Die Länder sehen zentrale Hemmnisse darin, dass ihre aktuellen Fachanwendungen nicht cloudfähig sind und zeichnen somit ein realistisches Bild auf eine der größten Herausforderungen für die Nutzung von Cloud-Diensten, die auch in den Expertengesprächen bestätigt wird. Die Abhängigkeit von öffentlichen IT-Dienstleistern ist mit 41 % das zentrale Hemmnis auf Großstadtebene. Im Vergleich zu den Ländern ist der Prozentwert mehr als doppelt so hoch. In Kombination mit der klaren Bejahung von 48 % der Großstädte auf die Frage, ob sie bereits Cloud-Services nutzen, ist der Trend zur Nutzung von Hyperscaler-Angeboten durch Großstädte auch hier klar erkennbar.
Welche Faktoren hindern Ihre Behörde daran, Dienste aus einer Cloud zu nutzen?
Tabelle 5
Fazit
Die Auslagerung des IT-Betriebs und die Nutzung von Basis- und Querschnittsdiensten nimmt erkennbar zu, ist aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Mit der IT-Konsolidierung Bund, der Einführung von Cloud-Diensten, dem Onlinezugangsgesetz 2.0 und der Registermodernisierung sowie vielen anderen Vorhaben und Maßnahmen wird die öffentliche Verwaltung unter den aktuellen Rahmenbedingungen noch die laufende Dekade für die Umsetzung benötigen. Die Qualität der Orchestrierung aller Beteiligten wird entscheidend für das Ergebnis und den Zeitpunkt des Abschlusses sein. Als wesentliche Erfolgsfaktoren sehen wir ausreichende Personalkapazitäten mit entsprechender Qualifikation, die Standardisierung von Services, eine mittelfristige Finanzplanung zur Stabilisierung lang laufender Vorhaben, einen klaren und stabilen politischen Willen sowie die Modernisierung von Fachverfahren und Interoperabilität.
Welche Faktoren hindern Ihre Behörde daran, Dienste aus einer Cloud zu nutzen?
Tabelle 6
Die aktuelle Studie wurde am 15.11.2023 im Rahmen eines politischen Abends in Berlin vorgestellt (Werner Achtert (msg), Thomas Heilmann (MdB)).
Abb. 1: Werner Achtert
Abb. 2: Thomas Heilmann (MdB)
Die Studie 2023 ist (wie ihre Vorläufer 2015 bis 2021) online abrufbar und kann auch postalisch verschickt werden.